Bildung

Bildung muss ihren humanistischen und emanzipatorischen Anspruch auch in Zeiten der Ökonomisierung aller Lebensbereiche aufrechterhalten. Bildung bedeutet nicht das Ausbilden von verwertbaren Skills und das Heranzüchten von angepassten Konsument*innen, sondern die aktive Auseinandersetzung des Individuums mit der Welt, insbesondere mit der kulturellen, sozialen und politischen Wirklichkeit. Im Zentrum der Schule steht Persönlichkeitsentwicklung zu mündigen, verantwortungsvollen und handlungsfähigen Bürger*innen.

Bildung ist ein Grundrecht und ein öffentliches Gut, das allen Bewohner*innen unabhängig vom Aufenthaltsstatus und Einkommen zur Verfügung stehen muss. Deshalb muss Bildung gesellschaftlich organisiert und durch Steuergelder finanziert werden – sie darf und soll die Gesellschaft etwas kosten. Die verheerenden Tendenzen der letzten Jahre, die Bildung den Marktkräften zu überlassen, müssen umgehend unterbunden werden. Wirtschaftliche Interessen dürfen weder den Lehrplan der Schulen noch die Forschungsausrichtung der Universitäten bestimmen.

  • Einsparungen bei der Bildung sind immer mit Qualitätseinbussen verbunden, weil fast nur bei den Löhnen Sparpotential vorhanden ist. Dementsprechend werden Lektionen gekürzt oder das Betreuungsverhältnis (Anzahl Schüler*innen pro Klasse) verschlechtert, was zwangsläufig zu schlechteren Arbeits- und Lernbedingungen – für Lehrkräfte ebenso wie für die Schüler*innen und Studierenden – führt.
  • Selektion verschärft die Vererbbarkeit von Bildungschancen und reproduziert damit die gesellschaftliche Hierarchie. Deshalb gehört die Selektion abgeschafft.
  • Kinder sind von Natur aus neugierig, diese Neugierde darf weder durch die Sanktionierung mit Leistungsbewertungen noch durch das Korsett des gleichgeschalteten Klassenunterrichts zerstört werden. Deshalb sind die Noten durch ein entwicklungsgerechtes Selbst- und Fremdbeurteilungssystem zu ersetzen, das die individuellen Stärken und Schwächen der Schüler*innen abbildet. Um die Lernlust und die individuelle Entfaltung der Schüler*innen zu fördern, ist das selbstverantwortete Lernen in vielfältigen Formen des offenen Unterrichts und demokratischer Strukturen auszubauen.
  • Wir begrüssen grundsätzlich die Stossrichtung des Lehrplans 21, der stärker auf die Aneignung von Kompetenzen ausgerichtet ist und weniger das Auswendiglernen von Wissen propagiert. Allerdings dürfen Kompetenzen nicht bis in jedes Detail durchstrukturiert sein, sondern müssen in Form von Mindeststandards festlegen, welche minimalen Kompetenzen jede*r Schüler*in einer Klassenstufe beherrschen muss. So entsteht viel Freiheit für die individuelle Gestaltung des Lehrens und Lernens.
  • Die Pädagogische Hochschule Bern muss bei der Lehrer*innenausbildung dringend von der verbürokratisierten Beschäftigungstherapie wegkommen und die angehenden Lehrpersonen wieder vermehrt zu Menschen bilden, die ihrer späteren Vorbildrolle gerecht werden können. Dazu braucht es Mut zum Experimentieren mit innovativen Unterrichtsformen, individuellen Entfaltungsmöglichkeiten der angehenden Lehrpersonen, eine praktischere Ausrichtung der Ausbildung und eine vertiefte Reflexion der eigenen Rolle als Lehrperson.
  • Bildung geht auch nach der obligatorischen Schule weiter. Wir setzen uns dafür ein, dass alle im Kanton Bern wohnhaften Personen Bildungsgutscheine erhalten, die sie frei einsetzen können. Damit soll gewährleistet werden, dass alle Menschen ihre Fähigkeiten und Interessen weiterentwickeln können, unabhängig vom Portemonnaie. Ausserdem soll damit garantiert werden, dass neben der ökonomisierten berufsspezifischen Weiterbildung freies Lernen für alle möglich ist, vom Sprach- bis zum Schachkurs, vom Gesangsunterricht bis zum Graffiti-Workshop.
  • Der Kanton Bern soll eine Pionierrolle einnehmen bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dazu braucht es entsprechende Gefässe im Stundenplan, in der Aus- und Fortbildung der Lehrpersonen und neues Unterrichtsmaterial.
  • Bildungseinrichtungen als Orte der Begegnung haben in Bezug auf die Integration verschiedener sozialer Gruppen eine grosse Verantwortung. So können beispielsweise Projekte, die den Austausch und die Zusammenarbeit mit Migrant*innen ermöglichen, Begegnungen über die kulturellen Grenzen hinweg fördern. Gemeinsame Projekte mit der migrantischen Diaspora sind eine Grundlage zur Auseinandersetzung mit der Rolle der Schweiz betreffend Kolonialismus, Rassismus, globale wirtschaftliche Ungleichheiten (u. a. Waffenexporte, Rohstoffhandel etc.) sowie Demokratie und Menschenrechte.