Kalkulierte Ungleichbehandlung? – Polizeieinsätze vom 1. und 2. Mai 2020

Nach zwei völlig unterschiedlichen Einsätzen an zwei Demonstrationen müssen sich die Kantonspolizei Bern und der Gemeinderat unbequeme Fragen gefallen lassen. Die AL fordert eine Klärung darüber, weshalb den zwei Aktionen völlig unterschiedlich begegnet wurde, sowie ein klares Bekenntnis zur Wahrung der Grundrechte in der alltäglichen behördlichen Praxis in der Stadt Bern.

Zum traditionellen 1. Mai waren alle Umzüge wegen des Corona-Virus abgesagt worden. Die Polizei erstickte im Keim Aktionen von Menschen, die zu zweit oder alleine mit Schildern oder Transparenten verantwortungsbewusst Alternativen zum klassischen Demonstrieren wählten. Sie hielten Vorschriften des Bundesrates ein und kommunizierten dies im Vorfeld. Entlang der kompletten Route vom Rosengarten Richtung Bahnhof waren dutzende Einsatzkräfte damit beschäftigt, alle Passant*innen zu kontrollieren.

Am 2. Mai wurde eine Versammlung von ca. 300 Personen auf dem Bundesplatz von der Kantonspolizei zugelassen. Die Polizei hatte im Vorfeld Kenntnis der Demo-nstration. Die Demonstration auf dem Bundesplatz richtete sich explizit gegen die Covid-19-Verordnungen des Bundesrates. Auf Flyern wurden die Risiken von Covid-19 geleugnet und von “Gesundheitsfaschismus” gefaselt. Die Polizei war von Anfang an zugegen und sah zu, wie sich gegen 300 Personen auf dem Bundesplatz versam-melten. Die Ansammlung wurde rund eine Stunde später halbherzig aufgelöst.

Am Vortag ging die Polizei rigide gegen Einzelpersonen vor und missachtete elementare Grundrechte wie die Meinungsäusserungsfreiheit und Versammlungs-freiheit, die innerhalb der bundesrätlichen Verordnung wahrgenommen worden sind.

Verantwortliche müssen sich äussern

Dieses Messen mit ungleichen Ellen kritisiert die AL Bern scharf. Wie ist es möglich, dass innerhalb von 24 Stunden die Kantonspolizei dermassen ungleich handelt? Die Polizei macht sich der kalkulierten Ungleichbehandlung verdächtig, wenn sie offensichtlich linke Demonstrierende am 1. Mai präventiv beobachtet, kontrolliert und ihnen Wegweisungen erteilt – und am nächsten Tag zulässt, dass sich Personen während einer Stunde zu Hunderten auf dem Bundesplatz versammeln, die teilweise dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. In den Stellungnahmen von staatlicher Seite werden erstere als “Gefahr für die Sicherheit” dargestellt, letztere jedoch nicht.

Die AL Bern fordert eine Stellungnahme vom Gesamtgemeinderat, weshalb Grundrechte durch die Polizei in der Stadt Bern am 1. Mai 2020 noch massiver beschnitten worden sind, als sie dies wegen Covid-19 bereits durch die Verordnung des Bundesrates werden.

Die mangelnde Sensibilität gegenüber der Einhaltung von Grundrechten in einer Rot-Grün regierten Stadt ist bedenklich und lässt die AL aufhorchen. Es gilt zu klären, wer dies zu verantworten hat, um entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen.

Die AL Bern wird Antworten vom Gemeinderat einfordern.